Aus Sicht der Betroffenen

Mögliche Sichtweisen legasthener Menschen

„Um jedermann bildlich zu machen, wie ein legasthener Mensch zeitweise Geschriebenes optisch wahrnimmt, haben amerikanische Wissenschaftler versucht, dies darzustellen. Hätten wir solche Beispiele nicht, wäre es für einen nicht legasthenen Menschen sehr schwer, sich diese Sichtweisen vorzustellen.“ 

Dr. Astrid Kopp-Duller (Buch: Der legasthene Mensch)

Nachdem man sich mit diesen Bildern auseinandergesetzt und erkannt hat, dass es sich hier nicht um schlechte Kopien handelt, kann man sich vielleicht eine bessere Vorstellung davon machen, wie Legastheniker zeitweise wahrnehmen:

Besondere Schwierigkeiten haben betroffene Personen im Umgang mit Symbolen und abstrakten Dingen, wenn diese flach erscheinen. Alles, was hingegen körperhaft bzw. in einer Dreidimensionalität erscheint, wird ohne Probleme erfasst. Man könnte auch einen Feldstecher nehmen, ihn umgekehrt halten und versuchen, nun über Hindernisse zu steigen. Man würde merken, wie schwer dieses Unterfangen ist und wie sich plötzlich die Wahrnehmung verändert.

Die Optik ist aber nur eine von mehreren Sinneswahrnehmungen, die von einem legasthenen/dyskalkulen Menschen different empfunden werden kann. Sie kann aber auch gut funktionieren wie bei anderen Menschen und völlig intakt sein.

Hat nun ein Kind Probleme mit der optischen Differenzierung, so fehlt ihm die Fähigkeit, geringfügige Unterschiede herauszufiltern. Optische Dinge, die ähnlich aussehen, werden nicht als ungleich erkannt, zum Beispiel werden h und k oder o und a als gleich angesehen. Dies führt natürlich automatisch zu Fehlern. Kinder mit einer veränderten optischen Differenzierung können auch nicht Stimmungen von den Gesichtern der Mitmenschen ablesen und werden deshalb oft von Überreaktionen des Lehrers völlig überrascht.

Die visuelle, auditive und räumliche Sinneswahrnehmung, Teilleistungen oder auch Funktionen genannt – die Fähigkeiten, mit denen Menschen die Umwelt wahrnehmen -, spielen eine wesentliche Rolle beim Erlernen des Schreibens, Lesens oder Rechnens. Legasthene und dyskalkule Menschen haben eine besondere Informationsverarbeitung und deshalb auch eine besondere  Lernfähigkeit. 

Buch „Der legasthene Mensch“ von Dr. Astrid Kopp-Duller

Warum kommt es nun zu sogenannten Fehlleistungen von legasthenen / dyskalkulen Kindern?

Sind sie denn nicht nur ganz einfach zu dumm, um das Schreiben und Lesen oder das Rechnen zu begreifen? Nein! Das visuelle, auditive oder räumliche Bewusstsein muss bei legasthenen und dyskalkulen Menschen gestärkt werden. Der Grund, warum diese Menschen Buchstaben oder Ziffern different empfinden, liegt darin, dass die Gehirnfunktionen abweichend arbeiten. Dies wiederum hat nichts mit der individuellen Intelligenz des jeweiligen Menschen zu tun. 

„Albert Einstein ist wohl das beste Beispiel dafür. Als schwerer Legastheniker, der mühsam das Schreiben und Lesen erlernte, galt er als „Dummian“, bis man entdeckte, dass er über ein ausgesprochen überdurchschnittliches mathematisches Denken verfügte. Natürlich steckt nicht in jedem legasthenen Menschen ein Einstein, doch mehr Beachtung und Anerkennung, als es bis jetzt der Fall ist, haben diese Menschen allemal verdient!“ 

Dr. Astrid Kopp-Duller (Buch: Der legasthene Mensch)

„Eine Legasthenie oder Dyskalkulie besteht zwar ein Leben lang, kann aber überwunden werden!“ 
Dr. Astrid Kopp-Duller, Dr. Livia R. Pailer-Duller (Buch: Legasthenie – Dyskalkulie!?)